auf ein Angebot der Regierung von Oberfranken hin, über das sie sich sehr gefreut hat, hier der Bericht:
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"Auch der 23.8.2012 ist ein heißer und trockener Tag, ich stelle mein Auto also wie beim kleinen Spaziergang mit meinem Hund letzten Sonntag im Schatten beim Trafo-Häuschen unterhalb der EDEKA ab. Wie verabredet treffe ich den Vertreter der Regierung von Oberfranken oben an der Deponie.
Ich unterschreibe, dass ich auf eigenes Risiko auf der Deponie unterwegs sein werde, im Falle eines Falles keine nachträglichen Schadensersatzansprüche stellen würde, dass man mich aus Sicherheitsgründen auf das Tragen von festem Schuhwerk und einer Warnweste hingewiesen hat, und dass ich als Privatperson unterwegs bin, nicht als Vertreter einer Partei oder Umweltorganisation etc., und dass ich über den Rundgang berichten darf ohne Namen zu nennen.
Schade dass fotografieren nicht gestattet ist, denn Bilder sind oft besser als viele Worte.
Als erstes darf ich den Sanierungsplan sehen, man erklärt ausführlich und für einen Laien wie mich wunderbar verständlich.
Auf die Frage, wo ich mich nun gern umsehen würde, im unteren oder oberen Deponiebereich, gibt es nur eine Antwort: oben, denn unten sieht man ja vom Feldweg aus alles ganz gut..
Wir gehen im Prinzip dieselbe Runde wie ich damals bei meinem Rundgang - viel hat sich verändert, immense Erdbewegungen haben stattgefunden, das Bild ist aber im Grunde dasselbe - ich sehe viel Glas, Scherben, Plastik, Kinderspielzeug, Hausmüll.
Durch den Regen vom Vortag ist es stellenweise noch feucht, teils Pfützen, es staubt nicht, trotzdem schon wieder alles recht trocken. Ich sehe einen Traktor mit Wasserfass bereitstehen. Man sagt mir, das anfänglich vorhandene Problem mit dem Staub wäre nun gelöst, bei Bedarf werde nun befeuchtet.
Der Geruch - mal mehr, mal weniger, ich fand ihn nicht mehr so schlimm wie beim ersten mal - obwohl nun hier offenbar viel mehr Fläche / Material offen liegt als damals, das ist jetzt das Maximum - ein Gewöhnungseffekt bei mir vielleicht, als ich das dritte mal einen Schweinemaststall betreten habe war es auch nicht mehr so wie beim ersten mal. (Keine Ironie, ein Fakt).
Nun weiß ich, was das für "komischer Gulli" ist beim „alten Ofen“ - Schacht zum "Grunddurchlass", also diesen Betonrohren, von denen es im Bericht "Detailerkundung und Sanierungskonzept" aus dem Jahr 2008 heißt, dass sie "Scheitel- und Wangerisse und defekte Muffen" zeigen, über die Sickerwasser aus dem Deponiekörper zusickert. Und dass der Sickerwassereinstau "teilweise unkontrolliert abgeführt wird im Schotterbett des Grunddurchlasses und versickert vor dem Böschungsfuß im Untergrund."
Ich sehe, wo die benachbarte Firma ihr Gelände vergrößern will, hier würde dann asphaltiert.
Ein großer Bagger arbeitet, riesige Dumper fahren - die Baufirma arbeitet effizient und schnell, die Erdbewegungen, die hier stattfinden, sind beeindruckend.
Ich sehe Grabungen oben am Damm der B303 - Naturboden kontra Deponiematerial, das noch wegkommt - auf dieser Deponie liegt auch sehr viel Erde und Bauschutt.
Der Damm der B303 wird bis auf den ursprünglichen Boden abgegraben, aller Müll weg, hier also ein Gefälle von der B303 abwärts, von dort wird die Deponie wieder ansteigen, (wird also "zur Straße hin abfallen" - da die Straße der höchste Punkt ist war mir bisher nicht klar gewesen wie das funktionieren sollte). In diesem zentralen Bereich bleibt also der bisherige Deponiekörper bestehen, das an anderen Stellen abgegrabene Deponiematerial wird daraufgepackt um ein Dachprofil zu formen.
Die Bäume und Sträucher westlich wurden nun gefällt, weil auch darunter stellenweise Müll gefunden wurde. Die Äste liegen noch da, ein Mitarbeiter ist dabei, Flatterband zu spannen. Alles soll sauber abgegraben und begradigt werden.
Insgesamt wird sich das alte Deponiematerial unter einer im Deponiebau üblichen Kunststoffdichtungsbahn (Stärke 2,5 mm, hochdichtes Polyethylen) befinden, unbelastetes Material wird darüber gedeckt. Die Kunststoffdichtungsbahn zur Abdeckung ist wasserdicht, 100 Jahre Garantie.
Wir gehen am westlichen Deponierand die gen Feldweg nach unten abfallende Deponie hinunter und kommen zu dem blauen Blechfass, das ich letzten Sonntag beim kleinen Spaziergang mit meinem Hund zufällig gesehen habe - es wurde auf meinen Hinweis hin ausgegraben, beim Ausgraben stieß man auf ein zweites Fass, der Inhalt wurde untersucht. Er erwies sich als harmlos. Man versichert mir: Die Arbeiter hätten Anweisung, jedes Fass oder auffällige Behältnis zu melden, damit es untersucht wird; bis dato hat man aber nichts Giftiges gefunden.
Machen wir an dieser Stelle eine kleine Pause vom Rundgang.
Und sprechen wir ein Wort zum Thema Giftiges. Gift. Auf jeder vor dem Inkrafttreten des Abfallbeseitigungsgesetzes 1972 angelegten Hausmülldeponie gibt es das ganz normale Gift wie Arzneimittel, Putzmittel, Holzschutzmittel und Unkrautvernichtungsmittelreste, PVC, Lacke und Farben, Batterien, Treibgassdosen, Kunststoffe, ölverschmutzte Abfälle... Aber auf der Deponie Haldenstrasse liegt nicht nur Hausmüll, sondern auch Industriemüll, auch aus der CFM, deshalb rede ich von Giftmüll, hochgiftigen Abfallstoffen aus der CFM, die laut einem Zeiungsartikel "Schlagzeilen mit dem größten Umweltskandal Europas machte", und ich tue das aus zwei Gründen:
Man hört Leute reden, man hört Gerüchte. Dass jemand früher angeblich Abfall von der CMF angeliefert hat, dass jemand angeblich geäußert hat es wäre ein Wunder dass auf der Deponie was wächst bei all dem Zeugs was man hingekippt hat - Gerüchte, wohlgemerkt.
Aber: Es gibt auch konkrete Informationen.
Etwa einen Zeitungsartikel der Frankenpost aus dem Jahr 1994 über Wahrnehmungen von Augenzeugen. "Diesen Aussagen zufolge seien auf der Deponie nicht nur Autos, Kühlschränke und unbeschriftete Fässer gelandet, sondern auch 'ganze Tanklastwagenladungen' an Flüssigkeiten abgelassen worden."
Es gibt den Bericht "Detailerkundung und Sanierungskonzept" aus dem Jahr 2008. Das extrem unerfreuliche Mecoprop, das in unveränderter Konzentration - also schwerwiegend, eine Sanierung der Deponie unabdingbar machend - im Grundwasser-Abstrom festgestellt wird, "war in den letzten Jahren ein Hauptprodukt der auf die Herstellung von Agrochemikalien spezialisierten CFM. Besonders hohe Gehalte fanden sich im Fehlwasser der Bettung unter dem Grunddurchlass." Ich frage mich, kann es zu solchen Werten kommen, wenn in der Deponie nur ursprünglich Mecoprop enthaltenhabendes altes Verpackungsmaterial liegt?
Es gibt einen interessanten Zeitungsartikel vom 06.04.2009, in dem vom Umgang der CFM mit (hochgiftigen) Abfällen die Rede ist.
"Entsorgungsnachweise für den Abfall wurden nicht erbracht, die CFM behauptete einfach dreist, es gäbe keine Abfälle, alles würde wiederverwertet. Das Umweltministerium sah keinen Grund, daran zu zweifeln. «Man muß sich auf die Angaben der Firma ja verlassen können», erklärte der zuständige Ministerialrat treuherzig vor dem Untersuchungsausschuss."
Auch der Schlußbericht des Untersuchungsausschusses CFM Marktredwitz vom 18.7.1990 zeigt, wie die CFM mit ihren Abfällen umgegangen ist. Seite 26, es wurden "bewußt und gezielt in Nacht- und Nebelaktionen Schadstoffe auf dem Gelände der CFM vergraben". Seite 27: Auf der Deponie Sandmühle wurden nachweislich illegal 128 leere Fässer abgelagert. "Die Anlieferung der Fässer aus dem Bereich der CFM steht aber fest." In einigen davon befand sich noch Flüssigkeit. "30%ige Flußsäure und Quecksilberverunreinigungen in einer Größenordnung von 500-1000 ml/l." Die Deponie Sandmühle war die Nachfolgerdeponie der Deponie Haldenstrasse. Seite 28: "(...) haben die CFM und ihre verantwortlichen Organe gerade im Bereich der Abfallbeseitigung massiv getäuscht."
Zur Deponie Haldenstrasse gibt es die offizielle Info (Quelle: Deponieseminar 2008 "Aktuelles und Erfahrungen aus der Praxis"; Copyright: Bayerisches Landesamt für Umwelt)
"Die Stadt Marktredwitz (...) betrieb zwischen 1962 und Mitte 1977 die Hausmülldeponie „An der Haldenstraße“ am Nordrand der Stadt. Abgelagert wurden in diesem Zeitraum überwiegend gemischte Siedlungsabfälle der Stadt und des Landkreises Wunsiedel, Gewerbe- und Industrieabfälle, Sperrmüll und erhebliche Mengenanteile von Bauschutt und Erdreich als Zwischenabdeckungen.
Industriemüll aus der Stadt (...) wurde neben mineralischen Abfällen aus der Feuerfest- und z. T. Porzellanherstellung durch solche aus dem Maschinenbau, der Schleifkörperfertigung, der Textilindustrie und der Chemie aufgebaut. Während des gesamten Ablagerungszeitraums der Deponie war auch die später aus der Altlastensanierung bekannte Chemische Fabrik Marktredwitz „CFM“ in Betrieb. Diese hatte neben der Herstellung anorganischer und organischer Erzeugnisse der Quecksilber- und Antimonchemie auch Formulierung und Vertrieb von anderswo hergestellten Pflanzenschutzmitteln sowie die Annahme und nach Möglichkeit
Aufarbeitung aller Arten von Quecksilberabfällen als Tätigkeitsschwerpunkt.(...)"
Die Politik sagt, die Deponie Haldenstraße ist im Altlastenkataster der CFM erfasst worden. Es gibt Akten dazu, die im Bayerischen Staatsministerium für Umwelt und Gesundheit und bei der Regierung von Oberfranken liegen. Und die GAB hat konkrete Unterlagen zur "Untersuchung Deponie Haldenstraße" aus den Jahren 1985 bis 1997; diese Informationen als Gerücht zu betrachten habe ich keinen Grund.
Zurück nun zum Rundgang und zu den blauen Blechfässern! Sie sehen ein wenig mitgenommen aus und enthalten Schleifscheiben, soweit ich als Laie das sehe auch Rohmaterial dafür, eine Art Broschüre, Bedienungsanleitung liegt daneben.
Schleifscheiben produzierte die "Stella", der benachbarte Betrieb der CFM, ebenfalls eine Altlast die mit saniert wurde.
(Und nun wieder ein Gerücht: Exakt in diesem belassenen Deponiebereich, also von den Fässern an ostwärts, im Bereich des Hochspannungsmasten, liegt das "schlimmste
Zeug". Kein Gerücht, sondern nachprüfbar ist, dass hier 2008 erhöhte Methangaskonzentrationen gemessen worden sind - Methangasaustrag 2008-).
Züruck zu unserem Rundgang, der uns weiter deponieabwärts zum Feldweg führt! Wir kommen an einem Grabstein vorbei; ein Herr, geboren 1857, gestorben 1918, Betriebsleiter - Grabsteine, rote Plastikgrablichter, Überreste von Grabkränzen sind mir schon bei meinem ersten Rundgang aufgefallen. Aber hier liegen keine Friedhofsreste, keine Knochen, wie man mir sagt, die Grabsteine stammen von einer Firma, die sie - vermutlich zu Recyclingzwecken - gesammelt hatte.
Unten am Feldweg sehe ich die Stelle, wo deponieseitig das Becken gebaut werden soll, in dem das unbelastete Oberflächenwasser gesammelt und in die Röslau geleitet werden soll, ich sehe Arbeiter entsprechende Rohre verlegen.
Im sauber abgeschrägten, trockenen Deponiekörper sehe ich feuchte Stellen. Sickerwasser aus der Deponie, das aber "nirgends hinkann".
Das künftig unbelastet gesammelte Wasser aus den Grunddurchlässen aus der Deponie soll in einem ebenfalls deponieseitigen Becken östlich gesammelt und verrohrt der Röslau zugeleitet werden.
Der obere Gulli / Schacht rechts deponieseits neben dem Weg ist der Schacht, in den der Grunddurchlass (also die Betonrohre in ihrem Sandbett von der B303 runterwärts) mündet, der untere Schacht rechts mit dem Schlauch drin ist nun provisorisch für Sicker/Oberflächenwasser und wird über den Schlauch in den Schacht links mit losem Deckel gepumpt, von da in die Kanalisation.
Künftig soll kein Wasser von der Deponie mehr in irgendwelche Gräben zu den Wiesen hin fließen. Oberflächenwasser wird deponieseits westlich gesammelt und gemeinsam mit dem oben genannten, sauberen Wasser aus dem Grunddurchlass verrohrt hinunter zur Röslau geleitet (bzw. in den Bach davor); Deponiesickerwasser wird östlich gesammelt, mit Aktivkohle gereinigt und nach oben in die Kanalisation gepumpt.
Die Wasserwerte werden kontrolliert werden.
Hier geht es um eine Verbesserung; ein komplettes Abgraben der Deponie wäre unverhältnismäßig.
Wir haben noch Zeit, um einen Blick auf das "Bereitstellungslager Baumann" zu werfen, also das Deponiematerial von oberhalb von unterhalb der B303, Erde, Bauschutt, das auf der anderen Seite des Feldwegs auf einer extra dafür angepachteten Wiese zwischengelagert wurde. Es wird wieder nach oben auf die Deponie verbracht werden, zum Teil unter die Kunststoffdichtungsbahn, um das Dachprofil des Hügels entsprechend zu formen, darüber dann nur unbelastetes Material. Nachdem dieser zwischengelagerte Haufen wieder abgetragen wurde, will man Bodenproben entnehmen um sicherzugehen dass alles in Ordnung ist, und die frühere Wiese wiederherstellen. Man sagt mir, das Material ist unbelastet, kein Müll, man sieht vereinzelt etwas Plastikmaterial.
Man sagt mir, dass während der Sanierung Schadstoffmessungen durchgeführt werden und bisher nichts ergeben haben; eine gute Nachricht. Es wäre allerdings gut, wenn man bekannt geben könnte, wo seit wann was gemessen wird, und wie die Ergebnisse ausgefallen sind / ausfallen.
Wir laufen an einem Haufen "sonderbares graues Zeug" vorbei wieder die Deponie hoch zu den Containern. Harmloser Graphitschiefer. "Aber dann sehen die Leute sowas und denken gleich an Gift. "Natürlich, als Laie - es sagt einem ja keiner was."
Ich verabschiede mich nach diesem wirklich überaus informativen und interessanten Rundgang, es freut mich sehr, dass die Regierung von Oberfranken mir als interessierten Privatperson so etwas ermöglicht hat!"
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