Sehr geehrter Herr Regierungspräsident Wenning,
Auf einen Telefonanruf aus Berlin hin soll ich mich zum Problem B303 / Fichtelgebirgsautobahn an die zuständige Planfeststellungsbehörde wenden.
Und heute bestätigt mir eine andere Stelle in Berlin schriftlich: "In Bayern wird nun die Entscheidung getroffen, welches Projekt des Bundesverkehrswegeplanes gebaut wird und welches nicht."
Deshalb nun also meine email an Sie zu diesem mehr als ernsten Sache:
Mir liegt nun eine Information vor, die der Thematik eine ganz überraschende Wendung verleiht: Das Projekt basiert auf völlig falschen Zahlen! Auf einem Fehler, der nie korrigiert wurde, und somit dürfte es von Rechts wegen gar nicht im Bundesverkehrswegeplan enthalten sein. Ich bitte Sie, dies nachzuprüfen und uns offiziell zu bestätigen:
Vom Freistaat Bayern wurde die Fichtelgebirgsautobahn in zwei Varianten zum Bundesverkehrswegeplan angemeldet, einmal einbahnig zweispurig (BY6351) und einmal zweibahnig vierspurig (BY6352).
Im Referentenentwurf wurde daraus der Projekt BY7616, bei dem die jährlichen Einsparungen für eine vierspurige, allerdings nur die Investitions- und jährliche Kosten für die zweispurige Variante eingetragen wurden. Das Nutzen-Kosten-Verhältnis ist daher um den Faktor zwei zu hoch. Statt 2,9 muß es 1,5 betragen.
In der Anlage zum Gesetz wurden dann zwar die Investitionskosten für eine vierspurige Straße angesetzt, allerdings wieder nur die jährlichen Kosten für eine zweispurige Straße eingetragen. Das Nutzen-Kosten-Verhältnis ist also wieder um den Faktor zwei zu hoch und muß 1,5 betragen.
Dieser Fehler ist von entscheidender Bedeutung, denn dadurch wurde eine “Punktlandung” bei Nutzen-Kosten-Verhältnis erreicht: Projekte mit einem Nutzen-Kosten-Verhältnis von Drei wurden seinerzeit in den Vordringlichen Bedarf aufgenommen.
Bei einem Gespräch im Verkehrsministerium in Berlin im Juni 2003 wurde der zuständige Referent auf den Fehler hingewiesen, Herr Bartsch hat diesen Fehler bestätigt. Im Jahr 2007 führte allerdings Ministerialrat Manfred Jung von der Obersten Baubehörde des Freistaates Bayern das hohe Nutzen-Kosten-Verhältnis als Begründung für die Notwendigkeit des Baus der B 303 neu ins Feld. Daraufhin wurde auch Herr Jung auf den Fehler aufmerksam gemacht. Er bestätigte erneut, dass ein Fehler vorliegt und versprach Abhilfe, Zitat:
„über Ihre Ausführungen zu einem zu hohen Nutzen/Kosten-Faktor bei der Bedarfsplanfortschreibung habe ich gestern mit Herrn Bartsch vom BMVS gesprochen. Wie bereits in den von Ihnen zitierten Gesprächen hat Herr Bartsch einen Fehler in den Prins-Daten bestätigt, den der Bund im Laufe des Sommers korrigieren will.
Mit freundlichen Grüßen
Jung“
Und in einer weiteren e-mail kurze Zeit später
“selbstverständlich im Sommer 2007, sonst hätte ich das Jahr dazugeschrieben. Wir werden Sie informieren, wenn der Fehler behoben ist.“
Dies ist bis heute nicht geschehen. Würde man die vier möglichen Varianten der Verkehrsuntersuchung 2010 nach den gleichen Kriterien eine Nutzen-Kosten-Analyse unterwerfen, wie sie für die Projekte des gültigen Bundesverkehrswegeplanes korrekt hätte erfolgen müssen, dann würde sich herausstellen, dass der Bau jeder der vier Varianten unwirtschaftlich ist.
Ich bitte Sie, uns auch dies offiziell zu bestätigen.
Fakt ist, dass die B303 neu, bzw. ein vierspuriger Ausbau zwischen der Grenze und der A93, nur deswegen in den Bundesverkehrswegeplan gelangte, weil in den eingereichten Unterlagen falsche Zahlen für Baukosten und Unterhalt standen. Und man mit dem sich daraus ergebendem viel zu hohen Kosten-Nutzen-Verhältnis die Notwendigkeit des Baus begründete.
Wenn die mir vorliegenden Informationen korrekt sind - und davon muß ich leider ausgehen - so sagt die Bayerische Straßenbauverwaltung nun, sie würde nur einen gesetzlichen Auftrag erfüllen, verschweigt dabei aber, dass dieser Auftrag nur zustande kam, weil die Exekutive des Freistaates seinerzeit ein nicht gerechtfertigtes Projekt eingereicht hat.
Und die bayerische Straßenbauverwaltung treibt die Planungen entsprechend den Vorgaben des Bedarfsplans voran, obwohl sie genau weiß, dass dieser auf falschen Zahlen basiert.
Und das Bundesverkehrsministerium weiß seit 2003 von den falschen Zahlen, bestätigt dies 2007 noch einmal – und unternimmt dennoch nichts. Sondern – ganz im Gegenteil – besteht Anfang Mai 2010 in einem „Spitzengespräch“ mit dem Bayerischen Innenminister Herrmann und zwei CSU-Mandatsträgern aus der Region – noch dazu gegen die ausdrückliche Empfehlung des Straßenbauamts Bayreuth - auf einen „zweibahnig-vierstreifigen Ausbauquerschnitt.
Ein Gesetz, zumal eins wie der Bundesverkehrswegeplan, das auf falsche Fakten begründet ist, muß korrigiert werden. Eine Straße, bei der das Kosten-Nutzen-Verhältnis nicht stimmt und die weder der gegenwärtige (ca. 5000 Kfz) noch der gemäß DTV2025 prognostizierte Verkehr (maximal 12400 Kfz) rechtfertigt, darf nicht gebaut werden.
Manche Leute halten die B303 für eine wichtige Verkehrsachse. Aber wenn sie tatsächlich wichtig wäre, wäre der Verkehr heute viel höher – so wie auf der B16 bei Nittenau, wo seit der Grenzöffnung nicht nur ca. 5000 Kfz unterwegs sind, sondern der Verkehr auf ca. 12000 Kfz angestiegen ist, für die nun laut einer Info von Staatssekretär Eck von Anfang Oktober 2010 eine dritte Fahrspur geschaffen werden soll.
Unsere tschechischen Nachbarn haben erkannt, dass die Verkehrszahlen einen vierspurigen Ausbau zwischen der Grenze und Prag nicht rechtfertigen und verhalten sich entsprechend logisch und vernünftig; sie werden erst ausbauen, wenn die Verkehrszahlen dies tatsächlich erfordern sollten, diese Information liegt mir schriftlich vom tschechischen Verkehrsministerium vor.
Bitte tun Sie nun also, was Ministerialrat Jung bereits 2007 versprach aber nie hielt: Sorgen Sie für umgehende Korrektur des gravierenden Fehlers beim Kosten-Nutzen-Faktor der B303, und dafür, dass dieses unwirtschaftliche und unnötige Projekt zumindest jetzt endlich, Ende 2010, umgehend aus dem Bundesverkehrswegeplan gestrichen und nicht gebaut wird. Dass vor allem die ohnehin quasi bereits dreispurig ausgebaute Ortsumgehung Schirnding nicht noch weiter ausgebaut wird.
Ich danke Ihnen im Voraus für Ihre Zeit und Mühe und freue mich auf Ihre baldige Rückmeldung.
Mit freundlichen Grüßen,
Kerstin Popp