Alle Fakten sprechen gegen einen weiteren Ausbau. Das weiß der Verkehrsminister, das weiß der Rechnungsprüfungsausschuß.
Kerstin Popp hat Mitte Januar 2019 den Vorsitzenden und die Obleute des Rechnungsprüfungsauschuß persönlich angeschrieben:
Axel Fischer, Vorsitzender (CDU)
André Berghegger (CDU/CSU)
Martin Gerster (SPD)
Ulla Ihnen (FDP)
Michael Leutert (LINKE)
Ulrike Schielke-Ziesing (AfD)
Ekin Deligöz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
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"Der Rechnungspüfungsausschuss ist dabei, eine Entscheidung zu treffen hinsichtlich des weiteren Ausbaus der Ortsumgehung Schirnding. Da beim Ortstermin am 17.12.2018 Ausbaubefürworter anwesend waren und gehört wurden, will Berichterstatter Michael Groß noch einmal Ausbaugegner hören, bevor ein Votum fällt. Dafür bedanke ich mich als Sprecher der Bürgerinitiative gegen die Fichtelgebirgsautobahn Ost, auch im Namen der ebenfalls gegen den Ausbau engagierten Bürgerinitiative gegen die Fichtelgebirgsautobahn Gefrees und Umgebung (BiG).
Da die BiG von dem Ausbau nicht unmittelbar betroffen ist, darf also ich mich heute an Sie (...) wenden, und noch einmal kurz die simplen Fakten zur bestehenden Ortsumgehung aufzeigen, die klar gegen einen Ausbau und für die endgültige Einstellung des Projekts sprechen:
- Die Umgehung ist für 20.000 Kfz ausgelegt, wird aber nur von rund 6.200 Kfz befahren. Es sind rund ein Drittel Lkw weniger unterwegs als vor 10 Jahren. Allen Prognosen nach werden für 2030 maximal 7.000 Kfz erwartet.
- Die Umgehung ist bereits jetzt quasi dreispurig und sehr übersichtlich. Langsame Fahrzeuge können mit großer Sicherheit überholt werden. Auf der Ortsumgehung gibt es keinen Unfallschwerpunkt. Ganz im Gegenteil: Wenn die Umgehung vierspurig wird, entstehen konkrete und nachweisliche Gefahrenstellen dort, wo die 4 Spuren wieder auf 2 Spuren zusammengeführt werden.
- Für den weiteren Ausbau zwischen Schirnding und der A93 wurde "kein Bedarf" festgestellt. (Stichwort aktueller Bundesverkehrswegeplan). Das Resultat des Ausbaus der Ortsumgehung wäre eine auf unabsehbare Zeit bestehende rund viereinhalb Kilometer kurze So-Da-Miniautobahn an der Marktgemeinde vorbei.
- Zahlreiche Verkehrsteilnehmer, allen voran Landwirte, dürften die Umgehung nicht mehr benutzen und müßten lange Umwege in Kauf nehmen, teils wieder durch die Ortschaft fahren, was bei der engen Ortsdurchfahrt und modernen Landwirtschaftsmaschinen zudem ein erhebliches Gefahrenpotential darstellt.
- Boden und landwirtschaftliche Nutzfläche würde versiegelt, eine gut eingewachsene große Streuobstwiese wurde bereits zerstört.
- In Zeiten knapper Kassen und zunehmend maroder Infrastruktur würden 34 Millionen Euro Steuergelder und mehr in den weiteren Ausbau einer bereits heute schon überdimensionierten Straße investiert.
Auf Aufforderung Ihres Ausschusses hat das Bundesverkehrsministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur eine neue Nutzen-Kosten-Rechnung erstellen lassen.
Der neue Wert fällt noch niedriger aus als der vorherige, er liegt nun bei nur 1,08. Obwohl der wirtschaftliche Nutzen marginal über dem eingesetzten Kapital liegt, sieht das Ministerium "die Wirtschaftlichkeit und die Bauwürdigkeit des Vorhabens" als belegt.
Allerdings verweigert es mir einen kritischen Blick auf die Berechnungsunterlagen mit dem Hinweis, dass "die Meinungsbildung des RPA noch nicht abgeschlossen" ist. Und in der Tat enthält die Rechnung eine Reihe von Merkwürdigkeiten, die zwingend hinterfragt werden müssen.
- In erster Linie die Tatsache, dass keinerlei Kostensteigerung berücksichtigt wurde. Steigen die Baukosten nur um 3,7 Millionen Euro, wird der Nutzen schon negativ. Eine Kostensteigerung ist allerdings programmiert, da sich beim ersten Bauabschnitt die Kosten von 10 auf 11 und dann 15 Millionen Euro erhöhten. Davon auszugehen, dass die Kosten für den zweiten Bauabschnitt nicht ebenfalls steigen, ist unrealistisch.
- Für "Betriebsführung(Personal)" "Verkehrssicherheit" und "Reisezeitnutzen" ist jeweils ein jährlicher Nutzen im mittleren sechsstelligen Bereich angesetzt, für "Lärmminderung innerorts" immerhin noch Euro 14.700, obwohl mit dem Ausbau keine Straße innerorts entlastet wird da "induzierter Verkehr" gleich null.
Sehr geehrte(..), "Nicht-Rentieren" zieht sich von Anfang an durch dieses Projekt, die Genehmigung und Baufreigabe erfolgte aufgrund einer falschen Berechnung. Die aktuelle Berechnung mit dem Ergebnis NKV 1,08 enthält ebenfalls Fragwürdigkeiten.
Im Namen aller Ausbaugegner appelliere ich an Sie und Ihre Kollegen, das zu tun, was Rechnungsprüfungsausschußmitglied Silke Launert dem Nordbayerischen Kurier gegenüber zugesagt hat: Allein auf Basis der Fakten zu entscheiden. Und diesbezüglich gegebenfalls noch einmal einen genauen Blick auf die Nutzen-Kosten-Berechnung zu werfen und die einzelnen Posten zu hinterfragen. Die oben erwähnten und die restlichen mit Nutzen belegten, als da wären "Lärmminderung außerorts", "Emissionen" und "Fahrzeugvorhaltung".
Eine Transportzeitersparnis von nicht einmal 4 Cent pro Lkw-Fahrt widerlegt eindeutig die Behauptung, dass die Investition von 34 Millionen Euro und mehr für das Transportgewerbe entscheidend wäre.
Alle Zahlen und Fakten sprechen gegen einen Ausbau, und für die Einstellung des Projekts. Es ist bedauerlich, dass bereits rund 6 Millionen Euro ausgegeben wurden. Aber besser 6 Millionen als 15, bzw. dann 34 und mehr.
Für Rückfragen und weitere Informationen stehe ich jederzeit gerne zur Verfügung und verbleibe
Mit freundlichen Grüßen
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Es erfolgte keine Rückfrage, auch weitere Informationen wurden offenbar nicht benötigt...
Interessanter Punkt: Warum eigentlich hat das BMVI die geforderte Wirtschaftlichkeitsrechnung an jenes Ingenieurbüro in Aachen outgesourct? Dessen Rechnung offenbar auch vom Bundesrechnungshof skeptisch betrachtet wird, der errechnete Wert erscheint zu hoch.
Das BMVI auf Kerstin Popps Nachfrage, was unter "Fahrzeugvorhaltung" zu verstehen sei:
'Im Bereich der Straßenplanung und des Straßenbaus wird der Begriff "Fahrzeugvorhaltung" nicht verwendet. Ich kann Ihnen daher hierzu keine weiteren Erläuterungen liefern.'
Erst auf Kerstin Popps detaillierte Erwiderung fiel dem BMVI ein:
'Nach Rücksprache mit unserem Referat „Straßennetzplanung“ kann ich Ihnen im Hinblick auf die Fahrzeugvorhaltung im Rahmen der Wirtschaftlichkeitsuntersuchung folgendes mitteilen (..)'
Warum hat nicht das Referat Straßennetzplanung die Wirtschaftlichkeitsrechung erstellt, was genau ist die Aufgabe des Referat Straßennetzplanung?
Und warum hat sich das BMVI geweigert, Kerstin Popp die Wirtschaftlichkeitsrechnung zukommen lassen mit der Begründung, dies könnte die Meinungsbildung des Rechnungsprüfungsausschusses beeinflussen?
Wie dem auch sei.
Beim Termin des Rechnungsprüfungsausschusses Ende Februar 2019 konnte, wie der Nordbayerische Kurier am 7.3.2019 berichtete, "keine Einigung zwischen den Positionen des Verkehrsministeriums und des Bundesrechnungshof erzielt werden."
Heißt: Da der Bundesrechnungshof den Verzicht auf das Projekt fordert, will das Verkehrsminsterium offensichtlich den Ausbau. Aber warum? Verkehrminister Scheuer selbst hat Kerstin Popp wiederholt schriftlich bestätigt, dass dieser Ausbau unnötig ist.
Und: "Das Thema steht am 22. März ein weiteres Mal auf der Tagsordnung des Rechnungsprüfungsausschusse des Bundestags."
Ein weiteres Mal. Leider nicht das letzte Mal.
Denn auch am 22.3.2019 wurde keine Entscheidung getroffen. Sie wurde erneut verschoben auf Betreiben der Union, neuer Termin soll nun der 17. Mai 2019 sein.
"Dann gibt es drei Möglichkeiten: Der Baustopp ist endgültig und der Ausbau kommt nicht, die Bauarbeiten gehen weiter oder die Entscheidung wird wieder vertagt", heißt es in einem Artikel von Radio Plassenburg.
Man kann nicht mehr sagen, dass die Sache langsam lächerlich wird, das ist sie längst mehr als.
Laut CSU-Rechnungsprüfungsausschußmitglied Silke Launert erfolgen die Entscheidungen des Ausschusses in der Regel einstimmig.
Und man folgt in der Regel dem, was der Bundesrechnungshof ausspricht.
Silke Launert sagte im Dezember 2018 dem Nordbayerischen Kurier gegenüber, der Ausschuß werde allein auf Basis der Fakten entscheiden.
Alle Zahlen und Fakten sprechen gegen einen Ausbau, und für die Einstellung des Projekts. Wäre es anders, hätte der Bundesrechnungshof das Projekt anders beurteilt.
Warum entscheidet der Ausschuß also nicht?
Laut Vorsitzendem des Rechnungsprüfungsausschusses Axel E. Fischer (CDU/Karlsruhe-Land) gab es Ende Februar 2019 bei den Mitgliedern im Ausschuß noch Beratungsbedarf.
Immer noch. Bei wem denn konkret?
Offensichtlich konnte der Beratungsbedarf jener Ausschußmitglieder auch bis zum 22.03.2019 noch nicht gestillt werden. Wird er es bis zum 17.05.2019 endlich sein?
Auf der Internetseite des Deutschen Bundestags ist zu Arbeit und Aufgaben des Rechnungsprüfungsausschsses zu lesen:
"Der Rechnungsprüfungsausschuss hat die organisatorischen Strukturen eines ständigen Ausschusses erreicht. Ihm gehören 17 Mitglieder an, die zugleich auch Mitglieder bzw. stellvertretende Mitglieder des Haushaltsausschusses sind. Ist der Haushaltsausschuss vor allem für die Bewilligung der Mittel zuständig, so vollzieht der Rechnungsprüfungsausschuss den Vollzug der Ausgaben nach, prüft die Haushalts- und Wirtschaftsführung des Bundes und bereitet die Entlastung der Bundesregierung durch das Plenum des Deutschen Bundestages auf der Grundlage der Bemerkungen des Bundesrechnungshofes vor."
Simpler Fakt ist - bei allem gebührenden Respekt -
Ein Mitglied, das knapp ein Jahr mit einer Thematik befasst ist, ohne nach sogar stattgefundenem Ortstermin eine Entscheidung treffen zu können, trägt wenig zur effizienten Arbeit des Ausschusses bei.
Oder steckt hinter ganzen Sache ein anderer Grund als Ausschußmitglieder mit bis dato ungestilltem Beratungsbedarf?
"Auf die Frage, ob es die Union sei, die weiter ausbauen wolle, antwortete er: "Das kann man so sagen."
Er = Vorsitzender des Rechnungsprüfungsausschusses Axel E. Fischer, laut Kurier-Artikel vom 7.3.2019.
Die Union will den Ausbau. Aber nicht nur die, denn "die Koalition hat darauf bestanden, die Entscheidung auf die Mai Sitzung zu verschieben."
Na da.
Was für Möglichkeiten gibt es nun?
1: Wenn die Entscheidung des Ausschuß einstimmig ist, wie Silke Launert sagte - und die Mitglieder von Union / Koalition den Ausbau wollen, andere Mitglieder nach Vernunft und Logik und Zahlen und Fakten gehen und sich den Argumenten des Bundesrechnungshofs anschließen, hingegen nicht, dann wird die Entscheidung ad ultimo verschoben -
2: Die Union, die Koalition, erzwingt kurzerhand den millionenschweren, nachweislich unsinnigen weiteren Ausbau von knapp 4 Kilometern bereits heute schon überdimensionierter Ortsumgehung mit Mehrheit, lehnt die Vorlage der Rechnungsprüfer ab und ignoriert den Bundesrechnungshof. Wider Vernunft und Logik, wider Fakten und entgegen der Aussage von Rechnungsprüfungsausschußmitglied Silke Launert, CSU.
Gibt es eine dritte Möglichkeit?
Wir werden sehen.