legt ein Investitionspaket zur Modernisierung Deutschlands Infrastruktur vor. (Pressemitteilung des BMVI, laufende Nr. 067/2015).
"Das Volumen der Liste der Baufreigaben liegt bei 2,7 Milliarden Euro, davon 1,5 Milliarden Euro für Lückenschlüsse, 700 Millionen Euro für dringende Neubauprojekte sowie 500 Millionen Euro für Modernisierung. Das Geld kommt aus dem Investitionshochlauf, den Bundesminister Dobrindt gestartet hat, u.a. aus der Ausweitung der Lkw-Maut zum 1. Juli und zum 1. Oktober 2015 sowie aus zusätzlichen Haushaltsmitteln 2016."
Diese 2,7 Millarden Euro fließen in 72 Straßenprojekte, eine Übersichtsliste und PDF-Datei ist auf der Homepage des BMVI zu finden.
Die B303 ist nicht dabei.
Sie ist übrigens auch nicht bei den Projekten dabei, die von der EU mit rund 1,7 Milliarden Euro aus dem Programm "Connecting Europe Facility" gefördert werden und deren Ziel es ist, "Lücken und Engpässe zu beseitigen und ein einheitliches europäisches Verkehrsnetz aufzubauen. Kern dieses Netzes sind Korridore mit den wichtigsten Fernverkehrsverbindungen."
Soviel zum Thema, die B303 wäre eine Straße von innereuropäischer Wichtigkeit und hätte eine grenzübergreifende Bedeutung...
Aber zurück zur Pressemitteilung 067/2015.
Investitionen in die Verkehrsinfrasstuktur sollen von 10,5 Milliarden Euro auf rund 14 Milliarden Euro im Jahr 2018 steigen.
Für den Erhalt von Bundesfernstraßen sollen die Mittel von 2,5 Millarden Euro (2013) auf rund 3,9 Milliarden in 2018 erhöht werden.
Für die Sanierung von Brücken sollen zwischen 2015 und 2018 rund 1,5 Millarden Euro bereitgestellt werden.
Wie auf der Homepage des BMVI zur "Grundkonzeption für den BVWP 2015" zu lesen ist:
"Mit der strategischen Neuausrichtung der Bundesverkehrswegeplanung bekennt sich das BMVI klar zu der Verantwortung, weiter die Leistungsfähigkeit unserer Verkehrsnetze sicherzustellen, ohne dabei die zur Verfügung stehenden Finanzmittel aus dem Auge zu verlieren. Eine strenge Bewertung und Priorisierung der Projekte ist daher unerlässlich."
Die zwei obersten Kernpunkte dabei:
1) Wir dürfen unsere Infrastruktur nicht auf Verschleiß fahren: Der Bedarf für Erhaltungsinvestitionen wird im BVWP 2015 fachlich ermittelt und hat Vorrang vor Aus- und Neubauvorhaben
2) Aus- und Neubau müssen streng am Bedarf orientiert sein
Ein hehres Vorhaben, aber ebenso berechtigt wie erforderlich, denn Deutschland, einmal das Land des perfekten Verkehrsnetzes, zerbröckelt - marode Straßen, gesperrte Brücken - die Politik will nun gegensteuern. So heißt es in einem Stern-Artikel, Ausgabe Nr. 13, vom 19.03.2015
Die Fakten, die der Stern aufzeigt:
Von 67.000 kommunale Brücken in Deutschland müssen 10.000 bis 2030 ersetzt werden Mehr als 30.000 sind in schlechtem oder gerade noch ausreichenden Zustand Fast ein Fünftel der Autobahnen hat den behördlich festgestellten Warnwert "kritisch" bei der Beurteilung der Fahrbahnoberfläche bereits überschritten.
40 % der Bundesstraßen haben den behördlich festgestellten Warnwert "kritisch" bei der Beurteilung der Fahrbahnoberfläche bereits überschritten.
Rund 50% der Gemeindestraßen weisen deutliche Schädigungen auf.
Ein Drittel der Eisenbahnbrücken ist in bedenklichem Zustand.
2004 betrug der Gesamtwert der deutschen Infrastruktur noch 960 Milliarden Euro. Nach Berechnungen des Kieler Institut für Weltwirtschaft wird er bis 2017 auf 925 Milliarden Euro gesunken sein.
2012 kamen Experten zu dem Schluß, dass im Verkehrsetat nur für den Erhalt jährlich 7,2 Milliarden Euro zusätzlich nötig wären, auf Sicht von 15 Jahren.
Für die aktuelle Legislaturperiode hat Bundesverkehrsminister Dobrindt pro Jahr 1,25 Milliarden Euro zusätzlich eingeplant. Ein Achtel von dem, was das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung für notwendig hält.
Beispiel Rheinland-Pfalz. Die Schiersteiner Brücke, "die zentrale Rheinquerung zwischen Mainz und Wiesbaden, Teil der Autobahn A 643", ist nicht mehr befahrbar. In Sichtweite dieser Brücke, über die einst Tag für Tag 90.000 Fahrzeuge fuhren, überqueren nun rund 3.000 Fahrzeuge den Rhein wie die alten Germanen auf einer Fähre.
Die Industrie- und Handelskammern von Mainz und Wiesbaden errechneten, dass die Sperrung pro Tag 1,4 Millionen Euro kostet.
Die Brücke war zwischen dem 10.02.2015 und dem 13.04.2015 gesperrt..
Macht wieviele Millionen?
Zudem:
"Im Sanierungsprogramm des Bundesverkehrsministers taucht die Schiersteiner Brücke mit Kosten von 225 Millionen Euro als teuerster Einzelposten auf."
Und, wie es in einem Artikel der Frankfurter Allgemeinen vom 11.02.2015 heißt:
"Die Schiersteiner Brücke ist marode - so wie viele andere Brücken, Straßen und Schienen in Deutschland. Das ist die Quittung für eine Politik, die Infrastruktur viel zu lange als nachrangige Größe betrachtet hat."
Schierstein ist überall. Wie es in dem Stern-Artikel heißt
"Bei Leverkusen ist die Rheinbrücke schon seit Monaten für jeglichen Lkw-Verkehr gesperrt, was den Gütertransport im halben Rheinland lahmlegt. Auf der A 45 (..) müssen südlich des Westhofener Kreuzes alle 32 Großbrücken erneuert werden. Im hessischen Streckenabschnitt ist ein gutes Dutzend Brücken so marode, dass sie nur noch mit Tempo 60 passiert werden können."
Szenenwechsel. Beispiel Schwaben, Kranbauer Liebherr, Weltmarktführer, 80% der Produktion geht in den Export.
Ein Teleskop-Raupenkran soll von Ehingen zur Verschiffung nach Rotterdam transportiert werden. Direkter Weg: 760 km.
Tatsächlich zu nehmender Weg: 1020 km, denn viele Brücken sind so marode, dass sie, obwohl sie 120 Tonnen aushalten sollten, für Transporte über 44 Tonnen gesperrt sind.
Verlust pro Jahr wegen der "Zickzack-Fahrerei bis zu einer Million Euro".
Szenenwechsel. Duisburg, das sich von der einstigen Stahlmetropole zum führenden internationalen Logistikstandort wandelte.
Auf der Rheinbrücke bei Neuenkamp, A 40, mußten im Oktober 2014 zwei von sechs Fahrspuren gesperrt werden, Ende Februar 2015 der Verkehr Richtung Essen auf eine Spur reduziert, mittlerweile die Brücke generell für Fahrzeuge über 3,5 Tonnen komplett gesperrt werden. Dringend sanierungsbedürftig ist auch die zentrale Autobahn-Anbindung des Binnenhafens, die Karl-Lehr-Brücke.
Die Lkws müssen nun durchs Stadtgebiet ausweichen, wo sie Straßen, Bürgersteige und Kreisverkehre ruinieren, so dass 20 Prozent des Straßennetzes bereits marode sind.
"Deutschland im Jahr 2015. Eine Stadt erstickt im Lkw-Verkehr. Ein Weltmarktführer muß seine Produkte wie ein hakenschlagender Hase durch die Republik befördern. Und der Rhein wird überquert wie bei den alten Germanen. Wir verspielen unsere Zukunft." schreibt der Stern.
Könnten ÖPP-Projekte, die Minister Dobrindt fördern will, helfen?
Private bauen oft schneller als der Staat, aber "die Verträge sind intransparent, Kommunen werden von gutbezahlten Anwälten gern über den Tisch gezogen. Und oft explodieren die Kosten. Etliche Gutachten raten ab."
Von 6 per ÖPP gebauten Autobahnabschnitten, die der Bundesrechnungshof geprüft hat, waren 5 teurer, wie wenn der Staat selbst gebaut hätte; die Mehrkosten beliefen sich auf 1,9 Milliarden Euro.
Inrix errechnete, dass Deutschland durch Staus und überlastete Straßen, Umwege und längere Lieferzeiten, Auftragsverluste und verpestete Luft von 2013 bis 2030 Schäden von 520 Milliarden Euro entstehen. "520 Milliarden Euro - für nichts." Und: "Wenn wir nicht umdenken, dann gerät unser Wohlstandsmodell in Gefahr. Unsere Art zu arbeiten, zu reisen, zu leben."
Noch einmal ein Blick auf die Homepage des BMVI.
"Unsere Verkehrsinfrastruktur ist einzigartig.
Weltweit verfügt kein anderes Land ähnlicher Größenordnung über ein vergleichbar dichtes Straßennetz, einen so modernen Schienenverkehr, eine so leistungsfähige Binnenschifffahrt und einen so leistungsfähigen öffentlichen Personennahverkehr wie Deutschland. (...) Eine leistungsfähige Infrastruktur ist die entscheidende Voraussetzung für Mobilität. Deshalb muss sie gepflegt, erhalten und bedarfsgerecht ausgebaut werden."
(Behalten wir das im Hinterkopf: Unser unvergleichlich dichtes Straßennetz; es pflegen und erhalten, und - vor allem - es BEDARFSGERECHT ausbauen...)
Für das nun aktuell von Verkehrsminister Dobrindt vorgelegte Investitionspaket gibt es Lob. Beispielsweise vom verkehrspolitischen Sprecher der Unionsfraktion, Ulrich Lange, und von SPD-Fraktionsvorsitzenden Sören Bartol. "Mit den Rekordinvestitionen können wir den Sanierungsstau auf den Straßen auflösen und Engpässe beseitigen" "Beim Aus- und Neubau investieren wir dort, wo es für die Autofahrer und den Wirtschaftsverkehr den größten Nutzen hat".
Es gibt allerdings auch kritische Stimmen.
Für die Modernisierung bestehender Straßen sind lediglich 482 Millionen Euro vorgesehen, während 2,2 MILLIARDEN für Neubaumaßnahmen ausgegeben werden sollen. "So bröseln unsere Brücken weiter, und die Schlaglöcher werden größer, weil man bei Neubauten als Verkehrsminister viel schöner Bänder durchschneiden kann" - Grünen-Fraktionsvize Oliver Krischer.
Die Grünen-Abgeordnete Valerie Wilms sprach an, dass über 50% der Projekte Ortsumgehungen wären, die keinen Effekt für das überregionale Straßennetz hätten, mit denen Dobrindt aber einzelne Wahlkreise in seiner Heimat Bayern "beglücke", notwendige Erhaltungsmaßnahmen anderswo würden nachrangig behandelt, (beispielsweise erhält Nordrhein-Westfalen als bevölkerungsreichstes Land nur 128 Millionen Euro), und dies ginge "zwangsläufig auf Kosten vieler anderer, die weiter im Stau stehen werden".
Experten bezweifeln zudem, dass diese 2,7 Milliarden Euro, die bis 2017/2018 für Erhalt und Neubau aufgewendet werden sollen, genügen - bereits 2012 waren sie ja zu dem Ergebnis gekommen, dass jedes Jahr 7,2 Milliarden Euro zusätzlich allein für Erhalt erforderlich wären.
Der Vorsitzende des ACE, Stefan Heimlich, stellt dazu fest:
"Heruntergerechnet auf ein Jahr besteht die "Offensive" aus nicht einmal einer Milliarde Euro zusätzlicher Mittel."
Und in einem Bericht von Henning Steiner, HR, auf tagesschau.de, Stand 20.07.2015, 17:11 Uhr, lesen wir, dass das, was Dobrindt nun als großen Wurf verkauft, lediglich der erste Baustein einer schon länger geplanten Aufstockung von Investitionen in die Infrastruktur ist.
"Die jährlichen Mittel dafür sollen bis 2018 von 10,5 Milliarden Euro auf 14 Milliarden Euro ansteigen - laut Ministerium ist das ein 'historisches Niveau'. Für den Erhalt von Bundesfernstraßen soll es dann jährlich 3,9 Milliarden Euro geben statt 2,5 Milliarden Euro (2013)."
Wir lesen weiter, dass die Opposition die Ankündigungen als Täuschung kritisiert: Laut Grünen-Verkehrsexperte Stephan Kühn werde lediglich die bestehende Haushaltsplanung Projekten zugeordnet.
ARD-Korrespondent Andreas Reuther sagt ebenfalls, dass Dobrindt für sein nun angepriesenes Investitionspaket kein neues Geld ausgibt: "Er legt lediglich fest, wie jene Mittel, die in verschiedenen Töpfen bereits bereitstanden, nun auf die einzelnen Vorhaben verteilt werden".
Zudem: Wenn nun 2,2 Milliarden Euro für "Lückenschlüsse" und andere Neubauprojekte aufgewendet werden, und weniger als eine halbe für Reparaturen, gilt das von der Bundesregierung verkündete und vom BMVI sich selbst auf die Fahne geschriebene Prinzip "Erhalt vor Neubau" nicht.
Zumindest für diese Investitionstranche nicht.
Wir werden sehen, wie es weitergeht.